3 Medien & Mitwisserschaft im NS

Die Zerschlagung der Presse

Mit der Übergabe der Macht an Hitler und die NSDAP am 30. Januar 1933 wurde Antisemitismus zur staatlichen Doktrin. Was über Jahrhunderte an Hass gewachsen war, wurde nun systematisch in Politik, Alltag und Gesetze gegossen. Medien spielten dabei eine Schlüsselrolle: sie waren Werkzeug zur Formierung einer „Volksgemeinschaft“, in der kein Platz für Juden:Jüdinnen war.

Kaum an der Macht, verschärften die Nazis ihre Angriffe gegen politische Gegner:innen und deren Publikationsorgane. Gleichzeitig begann der Umbau der Presse zu einem Instrument staatlicher Propaganda. Wie viele andere gesellschaftliche Bereiche wurden auch die Medien „gleichgeschaltet“. Zeitungen, Verlage, Radio und Film standen ab 1933 unter der Aufsicht des neugegründeten Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda unter Joseph Goebbels. Auf zentralen Reichspressekonferenzen wurde diktiert, was zu schreiben sei. Damit war die Pressefreiheit faktisch abgeschafft. Kritische Journalist:innen wurden entlassen, verfolgt oder zur Emigration gezwungen. Redaktionen wurden ideologisch „gesäubert“, jüdische Mitarbeitende ausgeschlossen.

Am 9. März 1933 stürmte die SA die Redaktionsräume der Münchener Post und zerstörte die Druckmaschinen. Das Vermögen des Verlags wurde beschlagnahmt, die Zeitung verboten und die Redakteur:innen inhaftiert.

Stadtarchiv München, DE-1992-FS-NS-00069

Kontrolle und Propaganda

Ein zentrales Werkzeug der Kontrolle war die Reichspressekammer: Nur wer dort Mitglied war, durfte publizieren. Das Schriftleitergesetz vom 4. Oktober 1933 schloss Juden:Jüdinnen aus der Medienbranche aus und verpflichtete nichtjüdische Journalist:innen zur Loyalität gegenüber dem NS-Staat. Die meisten Journalist:innen schrieben aus Überzeugung eifrig mit am System der Ausgrenzung, der Propaganda und Gewalt. Ein erheblicher Teil der nationalsozialistischen Propaganda wurde von professionellen Journalist:innen produziert, die antisemitische Leitartikel, Feuilletonbeiträge oder Bildreportagen verfassten.

NS-Hetzschriften wie der Stürmer oder der Völkische Beobachter propagierten einen Vernichtungsantisemitismus und erreichten damit ein Millionenpublikum. Dort wurde mit antisemitischen Karikaturen, Beschimpfungen und Verschwörungserzählungen medial der Boden bereitet für die Verfolgung und Vernichtung der europäischen Juden:Jüdinnen. Aber auch parteiunabhängige Medienhäuser und Zeitungen biederten sich dem neuen politischen Kurs an und fütterten den Zeitgeist mit antisemitischer Berichterstattung. Auch sie trugen zur Stabilisierung des NS-Systems bei.

Medien im Dienst der Vernichtungsideologie

Der NS-Staat verstand die Kraft der Medien. Überall wurde das gewünschte Weltbild verbreitet. Das Radio, das ab 1933 durch den billigen „Volksempfänger“ gefördert wurde, diente als tägliches Massenmedium für Propaganda. In Reden, Nachrichten und Kommentaren wurde die „jüdische Gefahr“ inszeniert, oft verbunden mit Bildern eines „zersetzten“ Kulturlebens oder einer „verjudeten“ Finanzwelt. Auch der Film wurde zum Mittel der Indoktrination. Produktionen wie Jud Süß (1940) oder Der ewige Jude (1940) transportierten antisemitische Stereotype auf emotional aufgeladene Weise. Pseudodokumentarisch inszeniert, um Seriosität zu suggerieren, wurden diese Filme nicht nur in Kinos gezeigt, sondern auch in Schulen und Parteiversammlungen.

Die Medien im Nationalsozialismus waren entscheidende Akteure: Sie bereiteten die Bevölkerung auf Ausgrenzung, Entrechtung und letztlich Vernichtung vor und waren schlussendlich der Wegbereiter des Holocaust. Durch permanente Wiederholungen antisemitischer Stereotype und emotionalisierter Berichterstattung wurde eine Stimmung geschaffen, in der Gewalt gegen Jüdinnen und Juden als legitim oder sogar notwendig erschien. Die Ausgrenzung von Juden:Jüdinnen, die Bücherverbrennungen und Boykotte jüdischer Geschäfte, später auch die Pogrome: All das geschah öffentlich und wurde medial begleitet. Auch die Deportationen wurden nicht vollständig verborgen. Viele wollten das Sichtbare nicht sehen. Die Behauptung "Wir wussten von nichts" entlarvt sich deshalb als Mythos. Sie ist Teil der kollektiven Erinnungsabwehr von Deutschen nach 1945.

Welche Verantwortung trägst du als Journalist:in im Umgang mit diskriminierenden Narrativen und rechter Einflußnahme auf die Medienberichterstattung?

Jüdischer Journalismus im NS

Trotz staatlicher Verfolgung, Zensur und Überwachung gab es jüdische Journalist:innen, die den Mut aufbrachten, weiterhin Texte zu schreiben und Widerstand gegen den Nationalsozialismus zu leisten. Das Schriftleitergesetz und die Kontrolle durch die Reichspressekammer hatte Juden:Jüdinnen weitgehend aus der deutschen Medienlandschaft ausgeschlossen. Ihnen blieb lediglich - zumindest für einige Jahre - die kleine Nische explizit jüdischer Zeitungen wie der Jüdischen Rundschau oder der CV-Zeitung, die nun zu Räumen der jüdischen Selbstbehauptung wurden.

Wir gingen wie auf Zehenspitzen
Walter Gross über den gefährlichen Drahtseilakt jüdischer Pressearbeit im NS-Staat

Die C.V.-Zeitung war die größte jüdische Wochenzeitung in Deutschland und wurde vom Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens herausgegeben, einer 1893 gegründeten jüdischen Selbstorganisation mit liberal-bürgerlicher Ausrichtung. Der Verein organisierte etwa 60.000 Mitglieder und war damit die bedeutendste jüdische Organisation, die in Reaktion auf den wachsenden Antisemitismus in Deutschland gegründet worden war.

Hans Oppenheimer und zwei weitere Mitarbeitende in der Redaktion der C.V.-Zeitung in Berlin.

© Herbert Sonnenfeld; Jüdisches Museum Berlin, Ankauf aus Mitteln der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin

Compact Memory

Die C.V.-Zeitung (1922–1938), die Jüdische Rundschau (1902-1938) sowie zahlreiche weitere jüdische Zeitschriften sind frei zugänglich auf dem Online-Portal Compact Memory der UB Frankfurt/Main.

Trotz massiver Repression existierte die Jüdische Rundschau bis 1938 weiter. Als Zeitung mit zionistischer Ausrichtung unterstützte sie aktiv die Vorbereitung von Flucht und Auswanderung nach Palästina. Trotz Zensur schaffte sie es, tausende Juden:Jüdinnen zu erreichen. Sie bot Orientierung in unsicheren Zeiten, weckte Selbstbewusstsein und dokumentierte die jüdische Kultur.

Verbot im Zuge der Novemberpogrome 1938

Schon im Oktober 1935 hatte der Präsident der Reichspressekammer, Max Amann, eine Anordnung erlassen, dass den öffentlichen Verkauf von Jüdischen Zeitungen untersagte. Nach den Novemberpogromen 1938 verbot das NS-Regime schließlich alle verbliebenen jüdischen Zeitungen. Die Jüdische Rundschau, die C.V.-Zeitung und alle weiteren wurden eingestellt und hatten noch nicht einmal die Möglichkeit, ihre Leser:innen über das Verbot zu informieren. An ihre Stelle trat das von der Gestapo kontrollierte Jüdische Nachrichtenblatt. Es war mehr Mitteilungsorgan als Presse, zensiert bis ins letzte Wort. Mit den Verboten im November 1938 endete die freie jüdische Öffentlichkeit in Deutschland.

Die Historikerin und Soziologin Eva Reichmann publizierte in der C.V.-Zeitung sowie als Herausgeberin der Zeitschrift Der Morgen zahlreiche kritische Texte über Antisemitismus und warnte schon lange vor 1933 vor den Gefahren des Nationalsozialismus. 1938 gelang ihr die Flucht nach London, wo sie am Aufbau des Leo Baeck Institutes beteiligt war.
Bild: Wiener Library Collections
Chefredakteur der Jüdischen Rundschau war seit 1919 Robert Weltsch. Als am 1. April 1933 die Nazis zum Boykott jüdischer Geschäfte aufriefen und SA-Männer vor Läden patroullierten, veröffentlichte er in der Zeitung einen Leitartikel, der zum Symbol jüdischer Selbstbehauptung und Würde wurde. Weltsch konnte sich 1938 in Palästina in Sicherheit bringen und arbeitete nach dem Zweiten Weltkrieg in Großbritannien als Publizist.
Bild: Abraham Shvadron Collection
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