Du bist in der letzten Session unseres Learning Tools angekommen. In den letzten Modulen hast du einiges gelernt, beispielsweise welche antisemitischen Codes existieren, wie du sie online erkennst und wie du in deiner redaktionellen Arbeit dafür sorgst, dass du sie nicht reproduzierst. In der letzten Session schauen wir uns nun an, wie du sensibilisiert über jüdisches Leben schreiben kannst und worauf du besonders achten solltest.
Denn Antisemitismus stützt sich auf jahrhundertealte Verschwörungsmythen, die eigentlich so eine Art Vorläufer der heutigen Fake News sind, z. B., dass „die Medien kontrolliert werden“ oder „die Weltwirtschaft gesteuert wird“. Solche Narrative passen sehr gut in das Schema von Fake News: Sie vereinfachen komplexe Zusammenhänge, bieten klare Schuldige und ignorieren Fakten. Auch heute enthalten viele Fake News über Corona, Krieg oder Migration unterschwellig oder offen antisemitische Codes („globale Eliten“, „Finanzmächte“, „Strippenzieher“), die an klassische antisemitische Stereotype anknüpfen. Heutzutage werden oftmals Juden:Jüdinnen, die in der Öffentlichkeit stehen mit antisemitischen Fake News in Verbindung gebracht (beispielsweise der jüdisch-ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj oder der jüdisch-ungarische Unternehmer George Soros) und viele Falschnachrichten, die im Zusammenhang mit Israel stehen. So werden beispielsweise immer wieder Bilder aus anderen Kriegsgebieten verwendet, um vermeintlich die Situation in Gaza zu zeigen. Viele antisemitische Fake News bleiben online unkommentiert oder werden nicht ausreichend richtiggestellt. Der Mangel an Medienkompetenz oder fehlende professionelle Faktenchecks machen es leicht, solche Inhalte unwidersprochen weiterzuverbreiten.
Fake News sind gezielt verbreitete Falschinformationen, die nicht zufällig oder versehentlich entstehen, sondern absichtlich in Umlauf gebracht werden, um Menschen zu täuschen, Stimmung zu machen oder politische Interessen zu fördern.
Statt sich auf die eine Webseite bzw. Quelle zu verlassen, sucht man gleichzeitig auf anderen Seiten nach Informationen über die Quelle und die Information. Taucht die gleiche Information auf mehreren seriösen Seiten auf, ist das ein Indiz, dass die Information bereits mehrfach, beispielsweise durch Nachrichtenagenturen, validiert wurde.
Mit Google Bildersuche oder Tools wie InVID (für Videos) lassen sich Inhalte überprüfen. Häufig werden Fotos aus alten Konflikten oder anderen Ländern fälschlich aktuellen Ereignissen zugeordnet oder sogar KI-generierte Bilder verwendet. Wenn die Bilder schon mal verwendet wurden, oder ansonsten online nicht auffindbar sind, solltet ihr noch mal genauer hinsehen.
Fragwürdige Websites verwenden oft abgewandelte Domains oder Nachahmungen seriöser Marken (z. B. „bbc-news.uk.com“ statt „bbc.com“). Einige Fake-News-Accounts auf X (ehemals Twitter) verwenden sogar die gleichen Layouts etablierter Medienhäuser, um Fake News zu verbreiten. Hier lohnt es sich, auf die Originalseite des Medienhauses zu schauen und die Nachricht dort noch mal zu finden.
KI-generierte Bilder und Videos lassen sich oft an kleinen Unstimmigkeiten erkennen. So wirken beispielsweise Hände, Zähne oder Ohren unnatürlich oder Licht und Schatten passen nicht zusammen. Metadaten in der Datei können Hinweise liefern, werden jedoch häufig entfernt oder verändert. Verdächtig sind auch wiederkehrende Muster wie identische Gesichter in einer Menschenmenge oder künstlich wirkende Texturen. Bei Videos verraten flackernde Details, unnatürliche Bewegungen oder verzerrte Übergänge den künstlichen Ursprung. Mithilfe von Reverse-Image-Search und spezialisierten Forensik-Tools lassen sich Quellen prüfen.
Inzwischen haben sich einige Faktencheck-Seiten etabliert, beispielsweise von der dpa oder Correctiv. Man hat auch die Möglichkeit, Nachrichten an diese Seiten zu schicken, um sie validieren zu lassen.
Nimm dir kurz Zeit und recheriere die folgenden Meldungen. Ordne anschließend zu – fake oder real?
Expert:innen warnen: Nicht alles, was sich "fact checking" nennt, ist auch wirklich faktenbasiert.
Zum Beispiel veröffentlichte die russische Regierung im April 2025 das „Global Fact-Checking Network“ (GFCN). Dabei handelt es sich um Propaganda und kein Faktencheck-Netzwerk.
In der Berichterstattung über jüdisches Leben ist vieles zu beachten, um Stereotypen nicht zu reproduzieren und Antisemitsmus entgegenzuwirken. Hier einige Dinge, die du als Journalist:in beachten solltest:
Es gibt mizrachische, aschkenasische, sephardische, Beta Israel, ultraorthodoxe, säkulare, queere, liberale, feministische, konservative und viele weitere jüdische Identitäten.
Vermeide eine einseitige oder stereotype Darstellung. Das Judentum ist kein monolithisches Konstrukt.
Sofern du in deiner Redaktion genderst, achte auf aktuelle Debatten innerhalb der jüdischen Communities, z. B. ob "Juden:Jüdinnen", "Juden_Jüdinnen" oder andere Varianten bevorzugt werden.
Um ein gutes Interview zu führen, solltest du darauf achten:
Juden:Jüdinnen nicht nur zu Antisemitismus oder Shoah zu befragen. Juden:Jüdinnen haben auch etwas zu sagen zu Bildung, Klima, Popkultur, Wirtschaft etc.
Keine Anfragen an jüdischen Feiertagen oder am Schabbat (Freitagabend bis Samstagabend) zu machen. Respektiere religiöse und kulturelle Ruhetage.
Transparenz und Vorbereitung: Offen mit Interviewpartner:innen kommunizieren, worum es geht und wofür das Interview verwendet wird.
Verwende aktuelle Bilder, junge Stimmen, queere Perspektiven, Alltagsrealitäten. Vermeide: Nur orthodoxe Männer mit Kippa als Bildmotiv oder Stolpersteine oder Shoah-Bilder, wenn es nicht um die NS-Zeit geht.
Nicht alle Jüd:innen sind religiös, viele leben säkular. Jüdischsein ist kulturell, familiär, politisch, spirituell, aber nicht zwingend religiös.
Besser: Einfach „Juden:Jüdinnen“ oder „jüdische Menschen“ verwenden in Absprache mit der jeweiligen Person oder Community.
Diese Begriffe wirken exkludierend, als seien Jüd:innen nicht Teil der Gesellschaft.
Das Judentum ist keine Fremdgruppe sondern Teil unserer pluralen Gesellschaft.
Nicht gleichsetzen. Nicht alle Israelis sind jüdisch und nicht alle jüdischen Menschen leben in Israel.
Chanukka ist kein Pendant zu Weihnachten. Vermeide vereinfachende Vergleiche aus christlicher Perspektive.
Diese Formulierung verschiebt die Verantwortung: Nicht das Symbol ist das Problem, sondern der Antisemitismus.
Die Debatte rund um Antisemitismus wird häufig sehr abstrakt geführt, es geht aber um die Lebensrealität von Menschen - mehr dazu von Nicholas Potter.
Wann habe ich zuletzt über jüdisches Leben berichtet und wie vielfältig war meine Darstellung?
Kurz vor Redaktionsschluss erreichen dich diese Textfragmente. Jetzt musst du schnell handeln und die problematischen Textstellen und Formulierungen anstreichen. Klicke auf die Sätze oder Passagen, die du so nicht schreiben würdest.
Masel Tov Cocktail bis Winterreise; Kultur Jüdische Filmreihe mit drei Terminen Erste Vorstellung am Donnerstag
Vor 1700 Jahren wurde jüdisches Leben in Deutschland zum ersten Mal dokumentiert. Heute leben in der Bundesrepublik Deutschland rund 200 000 Menschen jüdischen Glaubens. Grund genug, auch filmisch einen Blick auf die Vielfalt und Lebendigkeit jüdischen Lebens in Deutschland und Oldenburg zu werfen.
Wie lebt es sich als jüdischer Jugendlicher in Deutschland? Wie begegnen sich Juden und Nicht-Juden? Und welche jüdischen Familiengeschichten verbergen sich in der Stadt Oldenburg?
(…)
Nordwest-Zeitung, 8.7.21, S.10.
Du hast dich einmal durch das gesamte Lerntool gearbeitet. Wir hoffen, dass du einiges von dem Gelernten in deine tägliche Arbeit mitnehmen und umsetzen kannst.