Wo Bilder und Geschichten, selektiv ausgewählt, aus dem Zusammenhang gerissen oder gleich komplett erfunden oder KI generiert werden, braucht es viel Energie, Zeit und journalistische Kompetenz, um dieser Propaganda mit Aufklärung zu begegnen. Vor allem aber braucht es den Wunsch, Wahrheit, also das ganze Bild zu verbreiten, denn, so warnt eine chassidische Weisheit, eine halbe Wahrheit ist eine ganze Lüge.
Soziale Medien gewinnen als Informationsquelle zunehmend an Bedeutung. Doch ihre Algorithmen und die kurzen, schnell konsumierbaren Formate machen sie besonders anfällig für stark emotionalisierte Darstellungen. Das schafft ein Umfeld, in dem auch antisemitische Inhalte leicht Verbreitung finden.
Seit dem islamistischen Terroranschlag am 7. Oktober 2023 im Süden Israels und dem folgenden Krieg in Gaza ist die Zahl antisemitischer Kommentaren und Darstellungen, ebenso wie die antisemitische Gewalt auf den Straßen, in den sozialen Medien explosionsartig angestiegen. Das hat unmittelbare Folgen für Jüdinnen:Juden weltweit, die sich oftmals weder on- noch offline sicher fühlen. Betroffen sind aber auch Medienhäuser: Sie geraten nicht nur selbst ins Visier, sondern stoßen in ihrer Arbeit immer häufiger auf antisemitische Inhalte, oft ohne diese im digitalen Raum klar als solche zu erkennen.
Wenn du als Journalist:in Social Media nutzt oder das Community Management der eigenen Redaktion betreust, solltest du folgende Aspekte beachten.
Zahlen und Statistiken werden in antisemitischen Beiträgen häufig genutzt, um den Anschein von Fakten und Objektivität zu erwecken. Dabei werden gezielt verzerrte Statistiken, aus dem Kontext gerissene Zahlen oder manipulative Grafiken eingesetzt, um bestimmte Botschaften glaubwürdiger wirken zu lassen. Doch Zahlen sind nie neutral: Schon die Auswahl der Daten, die Skalierung von Grafiken oder die Vergleichsgrößen können das Bild verzerren. Besonders problematisch wird es, wenn Quellen unkritisch übernommen werden - mehr dazu in unserem Guide für Medienmacher:innen.
In den sozialen Medien verbreiten sich auch Bilder ohne die Prüfung auf Echtheit in Windeseile. So ist es zum einen möglich KI-generierte Bilder zu verbreiten, ohne dies offenzulegen, zum anderen Bilder und Videos zu inszenieren und so Fake News zu verbreiten oder Narrative zu dem eigenen Zweck anzupassen. Solche Darstellungen können die Wahrnehmung verzerren und die Komplexität von Konflikten vereinfachen.
Viele der wirkmächtigsten Codes hast du bereits kennengelernt. Diese verbreiten sich auch über die sozialen Medien. Bei Social Media gibt es jedoch noch weitere „Warnsignale“ für antisemitischen Content, zum Beispiel bestimmte Zahlenkombinationen, Kombinationen von bestimmten Emojis oder bestimmte Hashtags.
Rosa Jellinek gibt dir als Journalist:in wichtige Ratschläge zum Umgang mit Social Media und erklärrt warum Community Management so wichtig ist.
Heute moderierst du die Kommentarspalte deiner Redaktion. Unter einem Beitrag zu einem Interview mit einer ehemaligen Hamas-Geisel finden sich folgende Kommentare.
Beachte, dass es nicht darauf ankommt, Meinungen zu unterdrücken oder Zensur auszuführen, sondern darum die Verbreitung von diskriminierenden und gewaltvollen Aussagen zu unterbinden.
Knöpft euch mal den Social Media Account einer oder eurer Zeitung vor und diskutiert, was ihr entfernen oder stehenlassen würdet. Wo liegen die Grenzen?