2 Von Mythen zu Hass

Antisemitische Narrative erkennen

Narrative sind wiederkehrende Erzählmuster. Sie verknüpfen Juden:Jüdinnen mit bestimmten Entwicklungen oder Ereignissen und machen sie zu Schuldigen.

Nachdem du in Session 1 erfahren hast, warum Antisemitismus seit Jahrhunderten gesellschaftlich verankert ist und welche psychologischen Funktionen er für Menschen erfüllt, richten wir den Blick nun darauf, wie er sich in Bildern und Sprache ausdrückt.

In Modul II hast du außerdem die Ursprünge des Antisemitismus im Antijudaismus, sowie die Entstehung des modernen und des Sekundären Antisemitismus kennengelernt. Hier sind dir schon einige der heute noch wirkmächtigen Narrative und Mythen begegnet, die wir in dieser Session nochmal gesammelt aufgreifen werden. In Session 3 analysieren wir dann, wie diese Narrative heute mit Hilfe von Codes aufgegriffen und verschlüsselt weitergetragen werden.

Antisemitische Narrative & Mythen

Hinweis: Wir schreiben "Die Juden", wenn die antisemitische Projektion gemeint ist, und von Juden:Jüdinnen, wenn es um reale Personen geht.

Dieses Narrativ reicht weit zurück. Schon im Mittelalter durften Juden:Jüdinnen in vielen Regionen keine Zünfte beitreten oder Land besitzen. Die meisten lebten in ärmlichsten Verhältnissen. Manche Juden:Jüdinnen waren im Geldverleih tätig; genauso wie - trotz christlichen Zinsverbots - viele Christ:innen. Dennoch entwickelte sich damals einzig das Feindbild des "jüdischen Wucherers". Juden:Jüdinnen wurden Gegenstand von Neid und Hass.
Mit der Industrialisierung und und später im Nationalsozialismus entwickelte sich aus der Verknüpfung die Vorstellung vom „raffenden Kapital“, das „ehrliche Arbeit“ ausbeutet. Die NS-Propaganda stellte Juden:Jüdinnen als Drahtzieher des Finanzsystems dar, im Gegensatz zum „schaffenden“ deutschen Volk.

Gleichzeitig zu der Erzählung "die Juden seien reich", entstand auch das Narrativ des faulen Juden, der keine ehrliche Arbeit täte - sondern das Geld für sich arbeiten ließe.

Die Vorstellung, dass Juden:Jüdinnen „im Hintergrund die Fäden ziehen“, wurde spätestens mit der Fälschung der „Protokolle der Weisen von Zion“ im 19. Jahrhundert populär (siehe auch Modul II Session 2). Dieses Narrativ behauptet, es gebe einen jüdischen Geheimplan zur Weltherrschaft. Auch im Nationalsozialismus war die vermeintliche jüdische Übermacht ein zentrales Motiv und wurde im Zuge der „Rassenpolitik“ zu einer angeborenen Charaktereigenschaft erklärt. Diese vermeintlich angeborene Übermacht, macht für den Antisemiten jede:n Juden:Jüdin zu einer Gefahr und begründet den eliminatorischen Antisemitismus.

Im Mittelalter wurde Juden:Jüdinnen vorgeworfen, Brunnen vergiftet zu haben sie galten als Verursacher der Pest. Ein Muster, das bis heute besteht: Wenn etwas Bedrohliches passiert, wird „der Jude“ als Schuldiger benannt. Auch in der NS-Zeit wurde das aufgegriffen: Juden:Jüdinnen wurden als „Keimträger“ dargestellt und galten so als Gefahr für nicht-jüdische Deutsche und die sogenannte „Volksgesundheit“.

Schon im Mittelalter wurden Juden:Jüdinnen beschuldigt, christliche Kinder zu entführen und rituell zu ermorden. Juden:Jüdinnen wurden hier zu Schuldigen für nicht erklärbare Kindstode gemacht, in dem die Geschichte erzählt wurde, es werde Kinderblut für religiöse Rituale genutzt. Diese sogenannte Ritualmordlegende verbreitete sich über Jahrhunderte in ganz Europa. Immer wieder kam es deshalb zu Pogromen und Morden (siehe Modul II Session 2).

Dieses Narrativ wurde besonders im 19. und 20. Jahrhundert verbreitet. Juden:Jüdinnen wurde unterstellt, keine „richtigen“ Mitglieder einer Nation zu sein, sondern nur auf den eigenen Vorteil aus zu sein. Im NS hieß es: „Der Jude ist vaterlandslos.“ Auch nach dem Ersten Weltkrieg wurden sie für die deutsche Niederlage verantwortlich gemacht (Dolchstoßlegende).

Ein Klassiker antisemitischer Propaganda: Juden:Jüdinnen kontrollieren angeblich die Medien, bestimmen Debatten, zensieren oder manipulieren die Öffentlichkeit. Dieses Bild wurde im 20. Jahrhundert durch NS-Karikaturen weiterverbreitet, oft in Verbindung mit einer „Weltverschwörung“.

Schon im 19. Jahrhundert wurden jüdische Denker:innen für Revolutionen oder politische Instabilität verantwortlich gemacht. Besonders mit dem Aufkommen des Sozialismus entstand das Bild vom „jüdischen Umsturz“. Im Nationalsozialismus wurde das zum zentralen Feindbild: Der „jüdische Bolschewismus“ verband Antisemitismus mit Antikommunismus. Gleichzeitig wurden Juden:Jüdinnen für kulturellen Wandel verantwortlich gemacht, etwa für moderne Kunst, Emanzipation oder Internationalismus.

Sind dir einige der Narrative in deinem Berufsalltag schonmal begegnet? Erinnerst du dich noch wo?

Woher kommt dieses antisemitische Narrativ?

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